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Die Geschichte von den drei Backpflaumen

Wer erinnert sich noch an die ehemalige Sowjetunion?

Die siegreiche, mächtige aber auch bedrohliche Sowjetunion.

Im Ostteil unseres Vaterlandes hiess der offizielle Slogan : „von der Sowetunion lernen heisst siegen lernen“.

Im Westen war man sich darueber nicht so einig, standen doch ueber 300.000 sowjetische Soldaten, die Achte Garde-Armee, ausgerüstet mit modernen Panzern in den Aufmarschgebieten von Sachsen und Thüringen, um in kurzer Zeit durch die „Fulda-Gap“, der Senke zwischen dem Thüringer Wald und dem Vogelsberg, bis Frankfurt vorzustossen und das Restdeutschland in zwei Teile zu teilen. So war jedenfalls die Theorie, auf die sich die NATO-Verbände einstellten. Glücklicherweise kam es nicht dazu und wir können heute die Früchte der deutschen Einheit geniessen.

Aber trotz der damals doch ewig gespannten Lage versuchte man, ein erspriessliches Nebeneinander zu finden. Das war besonders auf wirtschaftlichem Gebiet der Fall und damit hatte auch ich zu tun. Ich wurde 1979 im Auswärtigen Amt als Referent in das neu geschaffene Referat fuer Energiefragen unter Leitung von Dr. Dieckmann versetzt. 1980 reiste eine deutsche Regierungsdelegation nach Moskau, um die deutsch-sowjetische gemischte Kommission für Energiefragen zu gruenden. Es war nun nicht so, dass eine solche Energiezusammenarbeit nicht bereits bestanden haette. Das berühmte Erdgas-Röhren-Geschäft aus den frühen 70er Jahren, eng verbunden mit dem Namen des damaligen Wirtschaftsministers Karl Schiller und des Unternehmers Otto Wolff von Amerongen, dem Vorsitzenden des Ostausschusses des deutschen Wirtschaft, hatte den Grundstein für eine fruchtbare, schon damals von unserem NATO-Verbündeten USA argwöhnisch beäugten, Energiezusammenarbeit mit Russland gelegt, die bis zum Angriffskrieg Putins in der Ukraine im letzten Jahr andauern sollte. Die deutsch-sowjetische gemischte Kommission für Energiefragen sollte diese Beziehungen auf eine institutionelle, zwischenstaatliche Basis stellen. Also deshalb die Delegationsreise nach Moskau und ich war mit dabei.

Wie damals in Ostblock-Laendern bei Regierungsdelegationen aus dem Ausland so üblich, wurden wir, die deutsche Delegation, in einem Gästehaus der Regierung untergebracht und bestens umsorgt. Natürlich gehoerte dazu ein Empfang im Kreml, ein Besuch des Bolshoi-Ballets und mehrere festliche Abendessen. Ich musste mich zusammennehmen, um den Wodkakonsum in Grenzen zu halten, damit ich bei den morgendlichen Delegationsbesprechungen noch Rede und Antwort stehen konnte.

Bereits das Frühstück war, Gott sei Dank ohne Wodka, eine grosse Sache mit viel Brot jeglicher Art, Butter, Marmelade, Schinken, Eiern und, was uns auffiel und zu Fragen Anlass gab, fuer jeden ein Glastellerchen mit jeweils drei Backpflaumen. Wieso das? Unsere sowjetischen Betreuer kamen nach längerem Hinterfragen mit folgender Erklärung heraus: Im September 1955 besuchte der damalige deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer die Sowjetunion auf Einladung der sowjetischen Regierung. Es war der erste Besuch eines deutschen Regierungschefs in der Sowjetunion. Adenauer, damals bereits 80 Jahre alt, so der Bericht, ass zum Frühstück stets Backpflaumen aus Gruenden, die wohl nicht naeher zu erläutern sind. Er bat darum auch bei seinem Besuch in Moskau. Es dauerte ein oder zwei Tage, bis die Gastgeber auf diese Bitte reagierten. Vielleicht war dazu eine Entscheidung des Politbüros erforderlich? Jedenfalls hatten am dritten Tag nicht nur der Bundeskanzler sondern alle Mitglieder seiner Delegation kleine Glastellerchen mit jeweils drei Backpflaumen auf dem Frühstückstisch. Und seitdem bekamen alle offiziellen Delegationen aus Deutschland zum Frühstück Backpflaumen, so auch wir 1980. Das ist die Geschichte von den drei Backpflaumen!

Und wenn die Sowjetunion nicht 1991 untergegangen wäre, würden auch wohl heute noch deutsche Delegationen zum Frühstück Backpflaumen serviert bekommen.

Rainald Roesch

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