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Eine deutschsprachige Kirche in Afrika

Ein Besuch der Christuskirche in Windhoek

Während eines Urlaubs in Namibia hatte ich vor kurzem die Gelegenheit, die Christuskirche der deutschen evangelischen Gemeinde in Windhoek zu besuchen.  Wir waren vor neun Jahren schon mal dort, aber damals stand die Kirche verschlossen und verlassen da.  Diesmal gab es viel mehr Interesse, und die Türen standen auch offen.

Christuskirche von Westen

An einem Gottesdienst konnte ich leider nicht teilnehmen.  Das einzige Wochenende, das wir im Lande verbrachten, fiel in die Zeit, in der wir Gottes Schöpfung – in Form von Löwen, Giraffen, Elefanten usw. – in einem Game Reserve erlebten.

Vielleicht ein ganz passendes Bild für das Land:  Afrika, mit ein bißchen Deutsch.  Namibia war als Deutsch-Südwestafrika deutsche Kolonie von 1884 bis 1915, also zu der Zeit, als es für europäische Länder zum guten Ton gehörte, Kolonien zu haben. Obwohl die Zeit unter deutscher Herrschaft relativ kurz war, ist der Einfluss immer noch recht stark.  Es ist nicht unüblich in Hotels oder Geschäften auf Deutsch angesprochen zu werden, unabhängig von der Hautfarbe der Angestellten.  Oder man kann auf der Straße Leute hören, die sich auf Deutsch unterhalten.

Die deutsche Gemeinde wurde 1896 gegründet.  Der Platz für die Kirche war zwei Jahre später gefunden und der Regierungsbaumeister Gottlieb Redecker stellte seinen Plan 1900 vor.

Redecker war 1871 in Otjimbingwe, ca. 160km nordwestlich von Windhoek, geboren.  Seine Eltern, ursprünglich aus Bielefeld,  hatten sich dort als Landwirte mit der Rheinischen Mission angesiedelt.  Seine Mutter starb, als er 11 Jahre alt war.  Er wurde dann zur weiteren Ausbildung nach Deutschland geschickt.  Nach seiner Ausbildung zum Bauingenieur, kehrte er nach Namibia zurück.  1901 wurde er zum Leiter des Bauwesens des Kaiserlichen Gouvernements ernannt.  Da er auch die einheimischen Sprachen Herero und Nama sprach, wird sein Erfolg der Verbindung von europäischer Ausbildung und einem Verständnis der einheimischen Kultur zugeschrieben.  Neben der Christuskirche gehen mehrere andere Gebäude der deutschen Kolonialzeit auf ihn zurück, z.B. der Tintenpalast, das heutige Parlament.  Redecker blieb bis 1921 in Namibia und siedelte dann als Beamter nach Deutschland um.  Er verstarb Anfang 1945 bei einem Bombenangriff in seinem Haus in Gütersloh.

Obwohl die Pläne für die Kirche schon 1900 vorlagen, hielten Kriege und Seuchen die Verwirklichung auf.  Der Bau begann erst sieben Jahre später, nach dem Ende des Herero-Kriegs, nach einem überarbeiteten Plan von Redecker, der auch die Bauaufsicht führte.

Die Kirche steht auf einer Anhöhe, heutzutage eine Verkehrsinsel. Sicher, sie war auch als ein Zeichen für die koloniale Macht gedacht.  Aber andererseits sollte sie auch ein Friedensdenkmal sein.  Dies ist auch in den Glocken vermerkt, die die Inschriften „Ehre sei Gott in der Höhe“, „Fiede auf Erden“ und „Den Menschen ein Wohlgefallen“ tragen (Lukas 2. 14).

Wie so oft, ging es mit dem Bau nicht so glatt, und die wahren Kosten überstiegen bei weitem die vorhergesehenen. Ursprünglich sollte die Kirche 150,000 Mark kosten, aber schließlich war es mehr als 350,000 Mark.  Die Gemeinde selbst brachte 60,000 Mark auf.  Weitere Spender in Namibia und Deutschland, einschließlich des Kaisers, trugen dazu bei, dass die Christuskirche vollendet wurde.  Hier sei auch erwähnt, dass die örtliche Afrikaans-sprechende Gemeinde bereit war, mit Spenden zu helfen.  Da sie keine eigene Kirche hatten, hielten sie dann ihre Gottesdienste in der deutschen Kirche ab.  Die feierliche Einweihung fand am 16. Oktober 1910 statt, an der 600 Menschen teilnahmen.  Das muss in der Kirche schon ein ganz schönes Gedrängel gewesen sein!

Christuskirche von Osten

Die Christuskirche ist im neo-romanischem Stil erbaut, mit einer gotischen Turmspitze und ein bisschen Jugendstil ist auch dabei.  Sie hat ein Haupt- und ein Seitenschiff, mit einer Orgelempore im Westen und über dem Seitenschiff nach Norden.  Die Mauern sind aus Quarzitsandstein errichtet, der in der Nähe des heutigen Avis-Stausees abgebaut wurde, von wo das Gestein dann auf einer eigens dafür gebauten Bahnlinie zum Bauplatz transportiert wurde.   Das Säulenportal besteht aus Carrara-Marmor aus Italien (und war einer der Gründe für die Kostensteigerung). Teile des Dachs und die schon erwähnten Glocken kamen aus Deutschland.  Die Glocken waren in der Firma Franz Schilling in Apolda in Thüringen gegossen worden.

Altarraum, mit der Rubens-Kopie

Das Altargemälde ist eine Kopie „Die Auferweckung des Lazarus“ von Peter Paul Rubens, gemalt von der Künstlerin Clara Berkowski aus Berlin.  Es wurde der Gemeinde von der Frau des damaligen Gouverneurs Seitz gespendet.  Das Original hing früher in der Gemäldegalerei Berlin, fiel aber 1945 Brandbomben zum Opfer fiel.  Die Altarbibel war ein Geschenk von der Kaiserin Auguste Viktoria, Frau von Wilhelm II.

Was wohl vielen Besuchern zuerst auffällt, wenn sie die Kirche betreten, sind die drei Buntglasfenster im Altarraum (s.o.).  Sie  wurden von Kaiser Wilhelm II gestiftet, und haben eine aufregende Geschichte.  Hergestellt in Deutschland von der Glasmalerei Wilhelm Franke in Naumburg, wurden sie dann nach Namibien per Schiff geschickt.  Aber als die Kisten in Windhoek aufgemacht wurden, enthielten sie nur einen Scherbenhaufen.  Daraufhin wurden neue bestellt.   Diesmal gerieten die Kisten, in denen die Fenster transportiert wurden, durch Funken der Lokomotive auf dem Weg mit der Eisenbahn vom Hafen nach Windhoek in Brand.  Zum Glück waren diesmal die Fenster selbst jedoch nicht beschädigt.  Aber damit noch nicht genug,  1998 besuchte ein Tourist, der Experte für Kirchenfenster war, die Kirche.  Ihm fiel auf, dass die Fenster seit 88 Jahren verkehrtherum eingesetzt waren, mit der Innenseite nach außen.  Im Zuge einer Renovierung wurden sie dann umgedreht und erstrahlen jetzt im richtigen Glanz.

Die jetzige Orgel ist relativ modern.  Ursprünglich gab es eine Walcker-Orgel aus Ludwigsburg, die von einem anonymen Spender gestiftet worden war.  Aber offenbar wurde ihre Instandhaltung im Laufe der Zeit zu teuer und 1985 wurde beschlossen, sie zu ersetzen.

Was mir in der Kirche besonders gefiel, war ein Baum, an dem Fotos hingen. Auf der Rückseite stand ein Datum und ein Bibelvers.  Da die überwiegende Mehrheit der Fotos von Babies waren, nehme ich an, dass es sich um Täuflinge handelt, mit dem Tag ihrer Taufe und ihrem Taufspruch auf der Rückseite.  Eine schöne Idee, die mir neu war.

Es gibt Stimmen, die die deutschsprachigen Gottesdienste als ein Zeichen deuten, dass die Gemeindemitglieder irgendwie in der deutschen Kolonialzeit steckengeblieben sind. Sicher, bei der Geschichte des Landes ist diese Vermutung schon naheliegend.  Allerdings gibt es deutschsprachige Gemeinden in vielen Ländern der Welt, auch ohne eine koloniale Vergangenheit.  Wir von der deutschsprachigen evangelischen Kirche hier in Sydney haben vielleicht ein besseres Verständnis dafür, wie wichtig es ist, Gottesdienst in seiner Muttersprache feiern zu können.

 

Weitere Informationen:

Christuskirche in Windhoek.  Broschüre auf Deutsch und Englisch, in der Kirche erhältlich

Bause, T., ‘Landmark church celebrates centenary’, The Namibian (24. Mai 2010).  Online bei URL:  https://www.namibian.com.na/index.php?id=66330&page=archive-read [abgerufen: 7. Mai 2018]

Braun, M., ‘Ein Jubiläum in Windhoek – Die EKD im Schatten des Kolonialismus’, Deutsches Pfarrerblatt, No. 8 (2011), available online bei Pfarrerverband, URL:  http://www.pfarrerverband.de/pfarrerblatt/index.php?a=show&id=3031 [abgerufen: 7. Mai 2018]

Oermann, N.O., Mission, Church and State Relations in South West Africa Under German Rule (1884-1915).  Franz Steiner Verlag, 1999, S.122-123

von Schumann, G.E., ‚1910 – 2010: 100 Jahre Christuskirche Windhoek‘, Allgemeine Zeitung (15. Okt. 2010).  Online bei URL:  http://www.namibia-adventures.com/Kirche.pdf [abgerufen: 7. Mai 2018]

Mehr zu Gottlieb Redecker:

Komeda, A.I., ‚Kolonialarchitektur als Gegenstand transkultureller Forschung.  Das Beispiel der deutschen Bauten in Namibia‘, in: Kulturerbe und Denkmalpflege transkulturell: Grenzgänge zwischen Theorie und Praxis, hrsg von Michael S. Falser & Monica Juneja. transcript Verlag, 2014, S.126-128

 

Kommentar ( 1)

  1. Antworten
    Dietrich Rehnert says:

    Eine anruehrende und hochinteressante Geschichte.

    Dietrich

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